Wissen Sie schon, wo Sie in diesem Jahr Ihren Weihnachtsbaum kaufen?
Es ist doch immer etwas Besonderes, wenn das gute Stück ausgesucht wird, das über die Festtage unsere Wohnung schmücken soll.
Als Kind bin ich mit meinen Geschwistern und meinem Vater immer in ein Waldstück gegangen, wo wir – mit Erlaubnis des Försters – nach einem passenden Baum Ausschau halten durften. Es war gar nicht so einfach, ein Exemplar zu finden, das uns allen gefiel. Und am Ende wirkte der Baum im Wohnzimmer dann doch irgendwie krummer und mickriger als im märchenhaften Wald. Das konnten auch die Unmengen von silbernem Lametta nicht verbergen.
Heute kaufen wir unseren Baum immer auf einem Gutshof im Nachbarort. Mittlerweile sind die Kinder nicht mehr dabei und meistens werden mein Mann und ich uns schnell einig. Ich liebe den Geruch von Moos, feuchter Erde und frischem Tannengrün, der sich auf der Rückfahrt im Auto ausbreitet.
Von Lametta bleibt unser Baum schon seit vielen Jahren verschont. Aber selbstgemachte Kugeln, Wichtel, Sterne und Zapfen verwandeln ihn immer zu einem kleinen Prachtstück. Und wenn dann am Weihnachtsfest die Lichter im Baum erstrahlen, ist das doch immer ein ganz besonderer Moment.
Und auch über die Festtage hinaus, wenn die ganze Aufregung vorbei ist und sich die nachweihnachtliche Ruhe ausbreitet, wacht er über dem Frieden der Krippe und lässt hin und wieder eine Nadel ins Stroh fallen.
Für viele Menschen gehört der Tannenbaum unbedingt zum Fest der Geburt dazu. Dabei gehörte er ganz sicher nicht zur ursprünglichen Geburtsszene. Am östlichen Mittelmeer wachsen keine Tannen. Einzug in den Reigen der Weihnachtstraditionen hielt der Christbaum erst im Mittelalter. Da wurde am Weihnachtsfest in kleinen Theaterstücken die Geschichte vom Paradies nachgestellt. Und zu dieser Paradiesszene gehörte natürlich auch ein Baum, von dem Adam und Eva den Apfel pflücken konnten. Dazu bot sich die auch im Winter grünende Tanne an. Im Laufe der Jahre wurde die Tanne dann neben den Äpfeln immer reicher geschmückt: mit verschiedenen Leckereien, Gebäck und Nüssen. So hatten die Zuschauer die Fülle des Paradieses vor Augen. Und am Dreikönigstag durften die Kinder den Baum plündern.
Etwas später, nach der Reformation, eroberte der Christbaum die Wohnzimmer. Für die Kinder wurde noch kleines Spielzeig an die Zweige gehängt und aus den Äpfeln wurden glänzende, rote Weihnachtskugeln.
In jedem Weihnachtsbaum steckt also ein Stück vom Paradiesbaum und er erinnert an die Zeit des Anfangs, als die Welt noch heil und vollkommen war. Als Gott und Mensch noch im gleichen Garten lebten und für alles und alle gesorgt war.
Auch wenn das Paradies niemals ein realer Ort, sondern immer ein biblisches Bild war und ist, so drückt es doch eine Sehnsucht aus, die wir alle in uns tragen: Der Hunger nach einer heilen und friedlichen Welt, in der wir in Fülle leben können.
Jeder Weihnachtsbaum hütet diese Sehnsucht, dass auch im Leben etwas spürbar bleibt von diesem paradiesischen Anfang.
Weihnachten ist eigentlich auch ein Anfang: Gott fängt als Mensch mit dieser Welt neu an. Eine Welt, die alles andere als ein Paradies ist. Eine Welt, die immer wieder einen Anfang braucht, der sich an der Liebe orientiert. Der erste Anfang mit Adam und Eva ist missglückt. Seither hat es in der Weltgeschichte unzählige Chancen und Gelegenheiten gegeben, wo Menschen neu beginnen konnten. Manche dieser Möglichkeiten sind gelungen, andere wurden nicht genutzt oder – oft auch mutwillig – missachtet.
Auch in meinem Leben gibt es immer wieder die Möglichkeit eines neuen Anfangs: da, wo ich etwas in den Sand gesetzt habe; da, wo durch mein Verhalten Beziehungen zerbrochen sind; da, wo meine Schuld Schmerz und Leid zu verantworten hat. Egal, was gewesen ist: Bei Gott gibt es sie, die Angebote, neu anzufangen, noch einmal von vorn zu beginnen, alles auf Reset zu setzen.
Wenn wir am 24. Dezember nicht nur den Lebensanfang des Mensch gewordenen Gottes feiern, sondern auch den Gedenktag von Adam und Eva begehen, dann kann uns das daran erinnern, dass wir als neuer Adam, als neue Eva nochmal von vorn beginnen können. Zusammen mit dem Kind in der Krippe können wir in unserem Leben einen neuen Garten Eden anlegen und hier und da kleine Pflanzen der Liebe setzen. Ob daraus irgendwann Paradiesbäume werden? – Wer weiß!
Vielleicht reicht vorerst auch der Weihnachtsbaum.
Bleiben Sie behütet!
Ihre Gisela Fritsche
Dekanatsreferentin